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Gründer Hülsewig im Interview mit der F.A.S.

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung spricht Schüttflix Gründer Christian Hülsewig über die aktuelle Lage in der Baubranche, das Potential der Energiewende, bürokratische Herausforderungen, die Rolle von Sophia Thomalla und über Krankmeldungen. Fazit: Mosern bringt nichts – anpacken und Gas geben schon.

Das Gespräch führten Patrick Bernau und Anna Sophie Kühne.

15.01.2025
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„ÄRMEL HOCHKREMPELN UND ANPACKEN!"

Bauunternehmer Christian Hülsewig ist mit Deutschland und seiner Politik nicht zufrieden. Aber er findet: Mosern alleine bringt auch nichts.

Herr Hülsewig, viele Bauunternehmen haben gerade zu kämpfen. Wie geht es Ihnen?

Wir sind Unternehmer und keine Unterlasser, das ist mein Leitspruch. Wenn wir Unternehmer jetzt den Kopf in den Sand stecken, dann geht es ja gar nicht weiter. Irgendeiner muss die Bälle ja nehmen, wie sie kommen, und dafür sorgen, dass wir auch in schweren Zeiten das Beste daraus machen.

Das heißt, die Bälle kommen auch für Sie gerade nicht so gut?

Die Bälle kommen, wie sie kommen. Es geht nicht der ganzen Bauwirtschaft schlecht. Viele Unternehmen wollen ihre Lieferketten absichern und deshalb mehr Vorrat halten, also brauchen sie Logistik und Lagerflächen. Auch die Energiewende ist ein einziges großes Bauprojekt. Das versuchen wir für uns zu nutzen. Aber die Volkswirtschaft können wir nicht beeinflussen. Beeinflussen können wir jedoch das eigene Tun, unser Unternehmen, die Motivation unserer Mitarbeiter. Die Bedingungen im Land sind das eine, und das andere ist, was wir als Unternehmer daraus machen. Wir haben zum Beispiel ein neues Unternehmen daraus gemacht.

Ein neues Unternehmen? Was für eines?

Eines, das aus Bürokratie entstanden ist. Es ist so: Wenn eine Baustelle einen Autokran braucht, dann fahren wir morgens mit dem Kran dorthin – und mit drei weiteren Lkw, die seine Ballastwürfel transportieren. Es ist schon schwer genug, dafür gute Fahrer zu finden. Aber wir müssen zusätzlich noch 14 Bullis als Begleitfahrzeuge mitschicken. Also: Wenn ein Pkw-Fahrer einen achtachsigen Kran nur wegen der Begleitfahrzeuge erkennt, sollte der sowieso lieber seinen Führerschein abgeben. Aber jetzt fahren eben 14 Fahrer mit Bullis davor, dahinter und an der Seite. Das gibt ein abstruses Bild ab!

Wir haben jetzt ein eigenes Begleitfahrzeugunternehmen aufgemacht. Während immer noch überall Arbeitskräfte fehlen, ist das volkswirtschaftlich der totale Wahnsinn.

Das ist schon wieder eine neue Firma. Sie waren vorher schon in zwei aktiv.

Es sind sogar deutlich mehr, denn sowohl die Schüttflix Group als auch die Hagedorn Unternehmensgruppe bestehen aus neun beziehungsweise über 40 einzelnen Gesellschaften. Dazu gehören Unternehmen wie die IK Umwelt, die Schwerlast Profis von Wasel oder die Erdbauer bei Maaßen. Und darüber hinaus sind wir noch in über 15 weiteren Start-ups und Onlinehändlern wie Simpleclub oder Tennis Point investiert. Hagedorn kümmert sich um Abbruch, Tiefbau und Entsorgung – und darum, dass die Materialien wieder verwendet werden können. Schüttflix ist für die Bauwirtschaft eine Kombination aus Preisvergleichsportal und Transportmanagement à la Uber. Sie bekommen schnell zehn Tonnen Sand bei uns, aber auch 9500 Lkw-Ladungen, die haben wir dem Flughafen Leipzig geliefert. Das Beste daran: mehr als die Hälfte unserer Lieferungen sind auf anderen Baustellen oder aus Abbrüchen gewonnen worden. So sparen wir Rohstoffe. Wir haben beispielsweise auch den Tunnelaushub von Stuttgart 21 wiederverwendet, nur eben nicht in Baden-Württemberg.

Warum nicht?

Weil das Material aus dem Tunnel Sulfat enthielt, von Natur aus. Die Grenzwerte in Baden-Württemberg sind allerdings so, dass wir dieses natürliche Material auf einer komplett verschlossenen Deponie entsorgen müssten. Stattdessen haben wir es mit dem Schiff ins Ruhrgebiet gefahren, wo es beim Bau verwertet werden konnte. Dort sind die Grenzwerte lockerer. Jeder Geologe weiß: Deutschland betreibt gut gemeinten Umweltschutz, aber nicht gut gemachten.

Was meinen Sie damit?

Wir müssen für den Planeten weitaus mehr tun, als nur ans CO2 zu denken.

Das sagt jemand, der selbst nicht wenig davon ausstößt.

Das ist zu kurz gedacht. Neulich hatte ich einen Unternehmensberater am Telefon, der wollte mir erklären, dass wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren können – indem wir unseren Fuhrpark in eine andere Firma auslagern, dann hätten wir ihn nicht mehr im eigenen Unternehmen. Da habe ich gesagt, das machen wir auf gar keinen Fall. An diesen Taschenspielertricks sieht man das ganze Dilemma unserer Klimapolitik!

Der CO2-Ausstoß bleibt trotzdem.

Wir machen den ganzen Tag sinnvolle Sachen für die Umwelt, wir bauen zum Beispiel alte Kohlekraftwerke zurück und verwandeln Industriebrachen zurück in neues Bauland. Dafür brauchen wir Baufahrzeuge und Maschinen, also auch Kraftstoff. Aber selbst hier nutzen wir zum Teil Biodiesel aus Pflanzenresten. Wir testen auch voll elektrische Bagger, aber bis die tatsächlich auf der Baustelle sinnvoll eingesetzt werden können, werden wohl noch zwei Jahre vergehen. Die Batterietechnik ist noch nicht gut genug, und das Kabel der Bagger ist armdick – probieren Sie mal, davon auch nur 30 Meter aufzurollen. Das Kraftwerk Moorburg ist auch ein Beispiel für Aktionismus, nicht für Pragmatismus ...

... ein sehr modernes Kohlekraftwerk mit relativ geringem CO2-Ausstoß ...

... das nur sechs Jahre am Netz war. Und ein paar Kilometer elbabwärts entsteht gerade ein neues Gaskraftwerk. Das hat noch weniger Emissionen als ein Kohlekraftwerk, aber Moorburg war neu und hätte in schwierigen und unsicheren Zeiten wie diesen sicher noch ein oder zwei Jahre am Netz bleiben können. Stattdessen haben wir den Auftrag bekommen, es schon heute komplett zurückzubauen.

Damit verdienen Sie Geld.

Ja, irgendeiner muss es machen. Aufträge führen wir selbstverständlich zu 100 Prozent im Sinne unserer Kunden aus. Das ist mein Anspruch als Unternehmer. Als Bürger wünsche ich mir Klimapolitik mit Augenmaß.

So gesehen profitieren Sie von der Energiewende. Aber bei Ihnen steigt der Gewinn auch nicht, den Gewinn von 2021 haben Sie bei Hagedorn nicht wieder erreicht.

Wir haben zwischenzeitlich viel investiert und haben den Gewinn von 2021 im vergangenen Jahr deutlich übertroffen, jetzt machen wir mit 500 Millionen Euro Umsatz einen Jahresüberschuss von über 40 Millionen Euro. Mit Schüttflix wachsen wir ebenfalls weiter: Der Umsatz ist im vergangenen Jahr von 125 auf über 190 Millionen Euro gestiegen, wir haben massiv in die Plattform investiert und trotzdem den Verlust halbiert.

Das Wachstum bei Schüttflix ging richtig los, als Sie Sophia Thomalla zur Anteilseignerin gemacht haben und sie für einen Fotokalender auf der Baustelle posiert hat.

Das war nicht nur Sophia, das hatte auch mit Whatsapp zu tun. Wir mussten es schaffen, dass die Leute auf der Baustelle nicht mehr den Jupp anrufen, bei dem sie seit 25 Jahren bestellt haben. In der Bauindustrie sind die Architekten und Statiker zwar exzellent digitalisiert, aber in der Umsetzung gibt es das kaum. Damals haben sich viele Leute auf der Baustelle ein Smartphone angeschafft, vor allem wegen Whatsapp. Dann konnten sie auch unsere App nutzen. Gleichzeitig haben wir das Vertrauen aufgebaut, dass das Material auch pünktlich geliefert wird. Und dann mussten wir dafür sorgen, dass sie im richtigen Moment an uns denken. Da hat Sophia definitiv geholfen, so waren wir omnipräsent auf allen Baustellen und hatten die Aufmerksamkeit der gesamten Branche.

So zu denken, das haben Sie nicht auf der Baustelle gelernt.

Eigentlich wollte ich Investmentbanker werden, aber als ich 2008 fertig wurde, war Finanzkrise – da haben alle eine Stelle gesucht, für mich gab es keine, die mich begeistert hätte. Ich hatte zuvor in den USA studiert, bin dann bei Arvato eingestiegen ...

... einer Sparte von Bertelsmann, die unglamouröse Arbeit für andere Unternehmen übernimmt ...

... und habe dort unter anderem für Meta, Apple und HP gearbeitet. Dann bin ich zu Microsoft gewechselt, wo ich die weltweite Logistik verantwortet habe. Da ist mir bewusst geworden: Die Zukunft liegt in der Digitalisierung.

Muss man erst in den USA gelebt haben, damit man das Wagnis eingeht, Baustellen zu digitalisieren?

Ich glaube schon, dass meine zehn Jahre in Amerika mich sehr geprägt haben. In einem Land voller Einwanderer herrscht immer Aufbruchstimmung. Die Wirtschaftszyklen gehen dort schneller.

In Amerika ist nicht alles besser als in Europa ...

... absolut nicht!

Aber kriegt man dieses Zupackende nach Deutschland?

Das ist eine schwierige Frage. Wir sind eine Mosernation geworden. Wir haben immer das Gefühl, ein anderer muss es für uns richten: Die Politik muss etwas tun oder die Unternehmer. Aber wir sind unseres eigenen Glückes Schmied. Jeder Einzelne von uns in Deutschland muss endlich wieder die Ärmel hochkrempeln und anpacken! Das haben wir leider ein bisschen verlernt.

Wirkt sich das auch auf die Krankmeldungen aus?

Ich verfolge die Diskussion um Karenztage aufmerksam. Es gibt dabei kein Richtig und Falsch. Wichtig ist, dass ein Team sich untereinander hilft – und für die Firma brennt. Dann hat sich ein hoher Krankenstand meist erledigt. Denn die Leidtragenden sind ja immer diejenigen, die die Arbeit der kranken Kolleginnen und Kollegen auffangen. Wer mit vielen Krankentagen auffällt, sollte von seiner Führungskraft unterstützt werden. Aber wer bewusst krankfeiert, hat in Unternehmen nichts verloren.

Ist da in Deutschland auch eine gewisse Bequemlichkeit dabei?

Vielleicht geht es uns noch zu gut. Wir haben trotz riesiger Herausforderungen nahezu Vollbeschäftigung. Ich habe Volkswirtschaft studiert: Rezession und Vollbeschäftigung gleichzeitig, das kannten wir nicht. Aber wir merken es als Unternehmer: Die Bedingungen sind im europäischen Ausland mittlerweile überall besser als hierzulande. Wir brauchen zwingend wieder einen attraktiveren wirtschaftlichen Rahmen: weniger Bürokratie und mehr Unternehmertum! Damit Wachstum und Wohlstand unser Land wieder prägen.

Das Interview erschien am 12.01.2025 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung